Bruno Manser - Die Stimme des Regenwaldes
Niklaus Hilber, Switzerland, 2019o
Based on a true story: Searching for an experience that goes deeper than modern civilisation, Bruno Manser travels into the jungles of Borneo and finds it with the nomadic Penan tribe. It is an encounter that changes his life forever. When the existence of the Penan is threatened by relentless deforestation, Manser takes up the fight against logging with courage and determination that makes him one of the most renowned and credible environmentalists of his time. Eventually, it costs him everything.
Ein recht differenzierter Film ist das eigentlich: Porträt eines leidenschaftlichen Mannes zwischen Rechthaben und Rechthaberei. Und doch: Der Hang zum Romantizismus läuft gern aus dem Ruder, visuell und musikalisch, tief hinein in die saucige Sentimentalität. Der Naturzustand wird dann tönende Postkarte.
Christoph SchneiderNiklaus Hilber contourne les pièges du biopic classique pour se concentrer sur quelques années clés du destin hors normes du militant écologiste bâlois, disparu en mai 2000 dans la forêt tropicale de Bornéo
Stéphane GobboGalleryo
Das Biopic «Bruno Manser» über den verschollenen Umweltschützer eröffnete das Zurich Film Festival. Es ist ein echter Schweizer Abenteuerfilm.
Mit bebender Erregung redet Greta Thunberg derzeit der Menschheit ins Gewissen. Wer über einen Gefühlshaushalt verfügt, der noch nicht komplett runtergewirtschaftet wurde, erinnert sich an diese Affekte der Jugend. Man musste auch an Greta denken, als die Filmbiografie «Bruno Manser» des Schweizer Regisseurs Niklaus Hilber am Donnerstag das 15. Zurich Film Festival eröffnete.
Natürlich war der 2005 als verschollen erklärte Basler Umweltaktivist keine Schweizer Greta. Aber es gibt doch ein paar Parallelen. Zum Beispiel die aktivistische Ausdauer, die irgendwann in Frustration umschlägt über die Untätigkeit der Entscheider. Dann braucht es wenig, bis sich das Engagement in vibrierende Erregung verwandelt und scharf formulierte Vorwürfe kommen.
Manser und Greta verbinden auch die Abscheu vor den Bequemlichkeiten der Konsumgesellschaft und ein Talent für öffentlichkeitswirksame Performances. Bruno Manser ist unter anderem am G-7-Gipfel 1991 auf einen Laternenpfahl geklettert und hat dort ein Transparent enthüllt. Mit seiner Sturheit konnte Manser den Leuten auch schwer auf die Nerven gehen, ähnlich wie Greta.
Der Spielfilm «Bruno Manser» kommt also zur richtigen Zeit. Die Geschichte beginnt 1984 in Malaysia, als Manser zu einer Suche aufbricht nach dem ursprünglichen Leben und auf den nomadischen Stamm der Penan trifft, deren Lebensraum durch die Abholzung des Urwalds bedroht wird. Sie arbeitet sich durch die 90er-Jahre, während deren Manser in der Schweiz im Büro für den Bruno-Manser-Fonds wirkt und für einen Importstopp von Tropenholz lobbyiert. Sie endet 2000, als Manser nicht mehr aus Sarawak zurückkehrt, dem malaysischen Teil der Insel Borneo.
Man muss vielleicht vorausschicken, dass hier mit einer zünftigen Gefühlskelle angerichtet wird. Es ist deshalb nicht allzu viel zeitgemässe Skepsis gegenüber einem Weissen zu erwarten, der sein Leben dem Kampf für irgendein Urvolk am anderen Ende der Welt verschrieb. Es kommt schon mal vor, dass jemand Manser die moralische Überlegenheit vorhält. Aber es ist auch nicht so, dass die Filmemacher ihre künstlerischen Entscheidungen bezüglich des Widerspruchs reflektieren würden, dass hier eine westliche Equipe in den Dschungel einfällt, um das Wort für die Bedrängten zu ergreifen.
Sie müssen das aber gar nicht gross tun, weil der Film glaubhaft machen kann, dass die Penan für sich selber reden. Gedreht wurde im indonesischen Teil Borneos, die Indigenen wurden besetzt mit echten Penan, von denen die meisten heute sesshaft leben. Wir hören fasziniert ihrem Singsang zu, auch dem Manser-Darsteller Sven Schelker nimmt man ab, dass er ihre Sprache spricht. Er trägt Mansers grässlichen Pagenschnitt und die Drahtbrille, er benutzt Buschmesser und Blasrohr. Er ist sozusagen bis in die Brustwarzen Bruno Manser geworden – eine echte Leistung.
Als romantisches Abenteuerkino mit Authentizitätsanspruch will «Bruno Manser» überwältigen, dafür wird einiges hochgetunt und anderes weggelassen. Beispielsweise, dass Manser als junger Mann als Schafhirt auf die Schweizer Alp flüchtete und im Dschungel von Borneo eine ähnliche Ursprünglichkeit entdeckte, bis er ausgerechnet dort eingeholt wurde von der globalisierten Industrie, die halbe Regenwälder rodet, um sie zu Wegwerf-Essstäbchen zu verarbeiten.
Da steckt eine sehr schweizerische Sehnsucht nach dem friedfertigen Leben der Ahnen drin. Aber der Film tendiert lieber ins Universelle und erzählt auch gern von Mansers Liebe zu der herzigen Ubung vom Penan-Stamm. Die Sentimentalität wirkt besonders störend, weil der Aktivist bei allem Idealismus kein Pathetiker war. Sein Einsatz galt zuerst der Selbstbestimmung eines Volkes; Naturschutz war immer verbunden mit der Ressourcenfrage. Wenn man bedenkt, dass es heute in den Klimawandeldiskussionen vielfach nur um Ideologien und Temperaturmessungen geht, war man da vielleicht schon mal weiter.
Süsse Gefühle bringen wenig
Am Ende treibt «Bruno Manser» das Heldenporträt Richtung Heiligsprechung, zu einem New-Age-Finale, wo Mensch und Natur eins werden. Es hat schon seine Kraft, auch weil Manser alles immer zusammendachte. Es wird aber auch viel vollgeschmiert mit Gabriel Yareds Filmmusik, von der wir jetzt nur sagen, dass wir sie nicht besonders dringend zu unseren Spotify-Favoriten hinzufügen wollen.
Dass im Übrigen die Liebe die beste Medizin gegen Schlangenbisse sein soll, ist einfach Quatsch. Sofort mit dem Messer aufschneiden, so hat es Bruno Manser gemacht, als er im Urwald von einer Grubenotter gebissen wurde. Süsse Gefühle bringen da wenig, aber was etwas nützt, sind Willensstärke und der Glaube daran, dass der Kampf sich lohnt.
Hat Manser die Strassenblockaden gegen Holzfäller angeführt?
Blockaden von verschiedenen Stämmen gab es übers ganze Rodungsgebiet, auch schon vor Bruno Mansers Ankunft. Der Film spitzt die Widerstandsaktionen stark auf seine Person zu.
Ist Manser aus einem malaysischen Polizeiwagen geflüchtet?
Seit 1985 lebte der Aktivist illegal in Malaysia, er wurde von Zivilpolizisten verhaftet und flüchtete während einer Pinkelpause. Im Film wirkt er eher wie ein Actionheld.
Hatte Manser eine Penan-Geliebte?
Manser soll in Sarawak gut befreundet gewesen sein mit einer Penan-Frau und ihrem Kind, viel weiss man darüber aber nicht.
Führte Manser Tagebuch?
Ja. Er zeichnete und notierte regelmässig seine Erlebnisse bei den Penan – in Blockschrift und bewundernswert klischeefreier Sprache.
Wurde tatsächlich ein Kopfgeld auf Manser ausgesetzt?
Ja, auf 50’000 malaysische Dollar.
Ist Bruno Manser tot?
Davon ist auszugehen. 2005 wurde Manser als verschollen erklärt, diplomatische Abklärungen und verschiedene Suchaktionen haben keine Resultate erbracht. Die wahrscheinlichsten Theorien sind Unfall oder Mord.
Gibt es andere Spielfilme über Manser?
Steven Spielberg soll einen Film über Bruno Mansers Leben geplant haben und sicherte sich die Rechte; Manser erhielt jährlich 20’000 Dollar. Angeblich fand er aber das Drehbuch zu schlecht, die Penan seien darin nur Staffage gewesen.