Monsieur Aznavour
Mehdi Idir, Grand Corps Malade, France, 2024o
Charles Aznavour (1924–2018), the son of Armenian refugees in Paris, had all the wrong attributes to become a chanson singer, with his slight build and husky voice. This biopic focuses on Aznavour's breakthrough years before and after 1960 and tells the story of how Edith Piaf's protégé made it onto the world stage through hard work and iron will – and the price he paid for it in his private life.
Geht es um musikalische Ausnahmeerscheinungen wie jüngst Bob Dylan oder Amy Winehouse, neigt die Kritik schon bei soliden Biopics wie A Complete Unknown und Back to Black zur Ekstase. Widmen sich Filme hingegen kommerzielleren Popgrössen wie Robbie Williams (Better Man) oder Céline Dion (Aline), so heisst es schnell, sie seien zu unkritisch, gefällig, ja hagiographisch. In dieses Fahrwasser geriet auch Monsieur Aznavour, das Biopic über den Sohn mittelloser armenischer Einwanderer, der sich vom Pariser Hinterhofmusiker der 1940er über die Lehr- und Dienstjahre an der Seite von Edith Piafs zum Weltstar und zu Chansons für die Ewigkeit hochsingt. Natürlich ist die Kritik nicht ganz unbegründet. Monsieur Aznavour ist ein klassisch gebautes, süffig inszeniertes Musikerporträt, das etwa Aznavours politisches Engagement weitgehend ausspart und seine privaten Eskapaden wohlwollend nur streift. Doch frei von moralinsaurem Aplomb zeigt der Film auch, wie der Erfolgsbesessene der Karriere alles unterordnet, den kreativen Partner der frühen Jahre ohne Skrupel hinter sich lässt und seine späteren Mitmusiker nicht selten mit seinem Perfektionismus tyrannisiert. Grandios verkörpert dabei Tahar Rahim (Un prophète) den Titelhelden über fast fünf Jahrzehnte hinweg und meistert sogar stimmlich die Tour de force durch Aznavour-Evergreens wie La Bohème und Hier encore. Am Ende sitzt der gealterte Chansonnier einsam in seinen Samjackets und Luxusvillen zwischen Erinnerungsstücken. Muss man mehr zeigen, um alles zu sagen?
Andreas Furler