Die Anhörung
Lisa Gerig, Switzerland, 2023o
Four rejected asylum seekers relive the hearing on their reasons for fleeing their home countries, shedding light on the core of the asylum procedure. Will the interviewees be able to describe their traumatic experiences in a way that satisfies the official criteria?
Worum es in diesem Dokumentarfilm geht, der bei den Solothurner Filmtagen mit dem wichtigsten Preis ausgezeichnet wurde, erklärt gleich zu Beginn eine Schrifttafel: "Asylanhörungen sind nicht öffentlich. Für den Film stellten Asylsuchende und Mitarbeitende des Staatssekretariats für Migration (SEM) eine reguläre Anhörung nach". Alles, was man sieht und hört, ist demnach eine Trockenübung, doch dies geht schon nach ein paar Minuten vergessen. Die geschilderten biografischen Ereignisse sind offensichtlich so schmerzlich und intensiv, dass sich sofort Authentizität einstellt. Lisa Gerig bemüht sich bei ihrem wunderbaren Erstlingsfilm mit Kamerapositionen und Schnittfolgen sichtlich darum, die Angestellten des Schweizer SEM nicht blosszustellen. Trotzdem sind die Sympathien klar auf Seiten der vier Antragsteller:innen (zwei Frauen und zwei Männer). Allzu offensichtlich ist das generelle – und oft vollkommen unberechtigte – Klima des Misstrauens, ob die Befragten überhaupt die Wahrheit erzählen. Deutlich wird zudem, dass sich Bürokrat:innen eigentlich nicht dazu eignen, Menschen über Traumata auszufragen, die eher in einem therapeutischen Setting besprochen werden müssten. Die Regisseurin lanciert im letzten Viertel des Films auch noch ein pfiffige und erzählerisch produktives Spiel mit den Rollen – mehr sei hier nicht verraten: Reinschauen, es lohnt sich!
Till Brockmann