Bagger Drama
Piet Baumgartner, Switzerland, 2024o
In the Bernese Seeland region, a married couple and their adult son run a thriving small business buying, renting and repairing excavators. But the rural idyll is deceptive: since the accidental death of their 19-year-old daughter, their gay son, who wants to study economics in the USA, cannot leave the family home. When the mother drifts into depression and the father falls in love with the village's new choir director, the family structure continues to disintegrate.
Vater, Mutter und ein erwachsener Sohn: In diesem Familienbetrieb im Berner Seeland packen alle mit an und bringen am Tag der offenen Tür sogar die Baggerschaufeln zum Tanzen. Doch seit dem Unfalltod der 19jährigen Tochter ist die Familie aus dem Tritt. Der schwule Sohn, der an eine amerikanische Business-School will, kommt vom Elternhause nicht los und macht Blödsinn mit einem neuen Vorarbeiter. Die scheinbar bodenständige Mutter schluckt eine vermeintlich tödliche Packung Aspirin. Der Vater, ein gebürtiger Brite mit charmantem Akzent, drängt seine Frau zu einer stationären Behandlung und singt im Auto mit der neuen Leiterin des Dorfchors bald ein Duett, das mit jeder Strophe vertraulicher klingt: Ersatzhandlungen statt Aussprachen – erstere mit so viel Sinn für sprechende Details in Szene gesetzt, dass sie die Figuren und ihr Umfeld umso plastischer einführen. Bagger Drama ist der erste lange Spielfilm des Berner Regisseurs Piet Baumgartner, der mit der Jungmanager:innen-Studie The Driven Ones vor knapp zwei Jahren erst als Dokumentarist debütierte. Baumgartner nennt ihn «autofiktional», weil er selber als schwuler Sohn in einer Seeländer KMU-Familie aufwuchs, in der man bei Tisch lieber über Technik als Gefühle sprach. Nebst seiner Kenntnis dieses typisch Schweizerischen, in einheimischen Spielfilmen aber raren Arbeits- und Familienmilieus bestechen seine originellen Blickwinkel, zudem sinnige Einfälle wie das millimetergenaue Öffnen einer Bierflasche mit der Baggerschaufel oder ein Abstecher zu McDonalds per Trax. Dann und wann macht Baumgartner auch ungeniert Anleihen bei Vorbildern (dem Gabelstapler-Ballett aus In den Gängen etwa), und als sich das Drama in Jahressprüngen vom Trauerfall wegbewegt, die Konflikte dafür zuspitzen, geraten die Szenen bisweilen kurzatmig und lassen so Einiges an dramatischem Potenzial ungenutzt. Doch das sind kleine Einwände. Mit Bagger Drama betritt ein weiteres unverkennbares Talent die an eigenständigen Köpfen so reiche junge Schweizer Regieszene.
Andreas Furler